Liebst du die Kirche?

Liebst du die Kirche?

Ich weiß nicht, woran du gedacht hast, als du die Frage gelesen hast. Vielleicht konntest du mit „Ja!“ antworten. Vielleicht dachtest du auch an ein altes, kaltes Gemäuer und im Vergleich dazu dein warmes Bett am Sonntag morgen. Oder du dachtest an Kirchenvertreter, die mehr oder weniger sinnvolle Sachen sagen und tun. Vielleicht dachtest du an Traditionen und Liturgie oder lauten Lobpreis mit Lichtshow. Womöglich kannst du aber überhaupt nichts mit der Frage anfangen – kein Problem, ich erklär es dir!

Wenn du mich vor ein paar Monaten gefragt hättest, „Tine, liebst du die Kirche?“ dann hätte ich wahrscheinlich eine Zeit lang überlegt und mich dann irgendwie rausgeredet, damit ich nicht direkt „Nein“ sagen muss (weil das wäre ja irgendwie falsch als Christ), aber mich auch nicht zu „Ja“ zwingen müsste (da gibt es ja wohl genug, das nicht liebenswert ist). Heute sieht meine Antwort anders aus: Ja, ich liebe die Kirche, auch wenn es mir nicht immer leicht fällt.

In der kleinen Stadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es kaum Auswahl an Gemeinden: die Landeskirche, den CVJM, eine Landeskirchliche Gemeinschaft und ein paar kleinere Freikirchen (die für mich als Kind und Jugendliche unbedeutend waren). Ich brauchte nicht wirklich eine Wahl treffen, denn durch meine Eltern gehöre ich zur evangelischen Kirche und war hauptsächlich im CVJM unterwegs – der ein christlicher Verein ist und so ohne Probleme beides möglich war.

Erwachsene meinen es ja oft zu gut mit Kindern und Jugendlichen, also warnen sie sie vor allen möglichen Dingen, damit nur nichts schief geht – gerade in christlichen Kreisen wird vor „Strömungen“ gewarnt, die irgendwie als komisch aufgefasst werden, damit die Kinder bloß nicht in seltsame christliche Praktiken abrutschen. Also wird gewarnt vor den „Charismatikern“, den „Pfingstlern“, den „Baptisten“ und was es noch alles gibt, denn die praktizieren Dinge wie Zungenrede und Geistestaufe und da weiß sowieso niemand so genau, was das ist und was das bringen soll. Und weil ich als Jugendliche sowieso keine solchen Gemeinden im Ort hatte, sondern in den nächstgrößeren hätte fahren müssen, war das für mich in Ordnung – schließlich gefiel es mir im CVJM echt gut und ich lernte dort, Jesus zu lieben.

Als ich nach meinem Abi ein halbes Jahr zu den Fackelträgern zur Bibelschule ging und die meisten Studenten aus den USA und Kanada kamen, klappte dieses „Schubladendenken“ nicht mehr so wie ich es aus meiner Heimat kannte, denn in diesen Ländern haben die Kirchen andere Strukturen. Klar gibt es auch unterschiedliche Richtungen, die werden nur nicht so breit diskutiert und viele fallen einfach unter „evangelikal“. Zum ersten Mal war „Kirche“ für mich nicht nur ein Gebäude, sondern vor allem ein bunt gemischter Haufen an Menschen, die Jesus lieben – egal, welche Gemeinde sie besuchen oder was sie sonst erlebt haben.

Im Studium konnte ich weiter Menschen kennen lernen, die in ganz anderen Gemeindeformen aufgewachsen bin, als ich es gewohnt war – und mich trotzdem weiter in meinem Heimat-CVJM wohlfühlen. Ich wurde herausgefordert über Dinge nachzudenken, offener zu werden und nicht alles zu verurteilen, nur weil ich es nicht gewohnt war. Ich gewöhnte mich daran, dass Leute beim Singen aufstanden, die Hände hoben und auf diese Weise Gott lobten, obwohl ich lieber in meinem Stuhl chillte und mitsang. Meine größte Herausforderung war, nicht ständig die „Kritiker“ von zu Hause im Ohr zu haben, die diese Menschen abstempelten, nur weil sie ihren Glauben anders ausdrückten. Leider waren diese Zeiten, in denen ich eigentlich hätte Gott loben sollen, oft mehr davon geprägt, wie andere sich verhielten, wie ich mich verhielt und was davon richtig und falsch war und ob Gott das überhaupt interessierte.

Seit ich beschlossen habe, in meinem Studienort zu bleiben, habe ich mir dort eine Gemeinde gesucht. Das erste Mal, als ich im Gottesdienst war, schaute ich mir alles ganz genau an, denn es sollte ja ein Ort werden, der mich zu Jesus hinzieht und nicht von ihm weg – was scheinbar möglich ist, zumindest sagte man mir das seit ich klein war. Lieber zu vorsichtig als nicht vorsichtig genug, gerade wenn es um meine Zukunft in der Ewigkeit geht!

Wie so oft bewies Gott mir, dass er noch lange nicht fertig mit mir ist und ich noch viel lernen muss; dafür waren die letzten Monate ziemlich gut, da ich sowieso gerade dabei bin, herauszufinden wie mein Leben weitergeht und wo Gott mich haben will. Da konnte er auch gleich ein paar falsche Annahmen ausradieren, gerade was seine Kirche angeht.

Ich habe viel gelernt. Vor allem, dass jeder seinen Glauben anders lebt und ich überhaupt keine Berechtigung habe, über andere zu urteilen. Ich bin immer noch in dieser Gemeinde und habe dort richtig nette und coole Personen kennen gelernt – und manche von denen heben sogar beim Lobpreis die Hände und schließen die Augen! Ich muss weiterhin aufpassen, nicht zu meinem 15-jährigen Ich zurückzukehren und alles ungewohnte als negativ anzusehen, denn das passiert viel zu leicht.

Stattdessen finde ich lieber heraus, wie es mir am besten gefällt, Gott zu loben. Ich glaube, Gott ist es egal, wie wir ihm die Ehre geben, solange wir es mit ehrlichem Herzen und Ehrfurcht tun. Manche können das am besten in kalten Kirchen mit alten Hymnen, andere in modernen Räumen mit Band, manche im sitzen, andere im stehen. Und nebenbei: Musik und Gesang sind ebenfalls nicht die einzigen Möglichkeiten, Gott zu loben, da gibt es auch noch viel mehr…

Neulich hörte ich eine Predigt von einem Pastor einer amerikanischen Megachurch, der sich viel mit anderen Kirchen vernetzt und weltweit Gemeinden unterstützt. Er brachte ein paar Punkte, die ich genial fand:

  • Ich muss die Kirche lieben, denn sie ist die Braut von Jesus. Damit meint er, dass die Menschen in der Kirche (ja, in jeder christlichen Kirche, egal welcher Ausrichtung, solange die Bibel die Grundlage ist), meine Familie sind und ich sie lieben soll. Auch die, die komplett andere Formen haben als ich es gewohnt bin. Auch die, die echt anstrengend sind. Ich kann nicht sagen: „Ich liebe Jesus, aber seine Kirche mag ich nicht.“, das wäre wie wenn ich zu jemandem sag „Ich mag dich, aber deine(n) Ehepartner(in) mag ich nicht.“ – die Person wäre zurecht gekränkt, denn die beiden gehören zusammen. Ich kann nicht behaupten, ich liebe Jesus, aber nicht die Menschen, die genauso wie ich zu ihm gehören und ihn auch lieben.
  • Das wichtigste, das Christen lernen sollen, ist andere zu lieben. Genau dafür ist die Kirche da: um lieben zu lernen. Niemand hat gesagt, dass das einfach ist, aber nötig. Warum? Darum:
  • Die Kirche ist das einzige, was in Ewigkeit bestehen wird. In der Ewigkeit wird es keine Arbeitsplätze mehr geben, keine Bankkonten, keine Fußballvereine, keine Parteien und keine Kirchenbezeichnungen. Nur die Gemeinschaft der Christen schafft es in die Ewigkeit – und manche werden staunen, wer da alles dabei sein wird. Katholiken, Lutheraner, Pfingstler, Baptisten und vieles mehr; alle die Jesus lieben, egal, wie sie diese Liebe zu ihm ausgedrückt haben. Wer damit nicht klar kommt, sollte sich überlegen, ob er wirklich in den Himmel will. Und wer sich dessen bewusst wird, sollte darüber nachdenken, wie er diese Vielfalt schon hier in dieser Welt wertschätzen kann, statt sie zu verurteilen.

WICHTIG: Die Kirche (und andere Christen) lieben heißt nicht automatisch, mit allem einverstanden zu sein, was läuft. Es sind immer noch alles unperfekte Menschen, die Fehler machen. Es ist viel Vergebung und Liebe nötig, aber auch Diskussion und Verbesserung. Das Ziel ist immer noch, Jesus ähnlicher zu werden und das sollten wir nicht wegen Liebe aus den Augen verlieren.

Noch einmal die Frage an dich: Liebst du die Kirche?
Wenn nein: Wie kannst du das ändern? Lass Gott an dir arbeiten!
Wenn ja: Genial! Wie zeigst du das?

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