Drei Abende hintereinander nichts vorhaben und machen können was ich will. Ich habe Zeit für mich und muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Gestern konnte ich schon damit anfangen, heute und morgen wird sicher auch gut. Einfach nur gammeln und nichts tun…
STOP!
Wem mache ich hier etwas vor – ich habe absolut keine Lust dazu, drei Tage nur zu Hause rumzuhocken und nichts zu unternehmen. Morgen muss ich nicht einmal das Haus verlassen und werde keine Menschenseele zu Gesicht bekommen, es sei denn ich geh Essen einkaufen oder so.
Aber siehst du, was ich hier getan habe? Auch wenn es mich an anderen Tagen vielleicht nicht nervt in meiner Wohnung zu bleiben, gerade stört es mich. Doch statt es zugeben rede ich mir ein, wie toll es doch ist, mal „Zeit für sich“ zu haben.
So viele Umstände, mit denen ich nicht zufrieden bin, rede ich mir zurecht und begründe sie, manchmal auch mit christlichen Floskeln, damit ich nicht zugeben muss, was mich stört.
Verstehe mich nicht falsch – ich bin absolut dafür, das Beste aus jeder Situation zu machen, zu versuchen, die positiven Seiten zu sehen und sich nicht über alles zu beschweren. Wenn man das allerdings übertreibt, macht man anderen, sich selbst und Gott einfach nur was vor.
Ich will nicht zu Hause hocken. Aber bevor ich eingestehe, dass ich mich nicht traue, Leute zu fragen, ob sie etwas mit mir unternehmen wollen, versuche ich lieber mir einzureden, wie toll das allein sein doch ist.
Mich nervt es, wenn Freunde mir wiederholt auf Nachrichten lange nicht antworten, obwohl sie ständig ihr Smartphone bei sich haben. Da rede ich mir eben ein, dass sie sicher keine Zeit haben, auch wenn es manchmal offensichtlich ist, dass sie nicht mit mir kommunizieren wollen. Doch ich würde diese Tatsache nie zugeben, sondern immer nur sagen: „Es ist schon okay, dass du so lange mit antworten gebraucht hast.“
Es ist nicht okay für mich, dass ich single bin und zusehen muss, wie viele Freunde Partner finden und sogar heiraten, erst recht, wenn sie jünger sind als ich. Und ich könnte abdrehen, wenn mir Teenager die Ohren vollheulen, welche Beziehungsdramen sich gerade bei ihnen abspielen und warum sie „noch keinen Freund“ haben.
Ich habe Angst vor der Zukunft, weil ich nicht weiß, wie mein Leben mal verlaufen könnte. Klar habe ich Träume und Wünsche, aber ob ich in der Medienbranche den richtigen Beruf für mich finde, weiß ich nicht.
Offensichtlich gibt es einiges, was für mich nicht okay ist. Und das ist völlig okay so!!
Wir Menschen sind sehr gut darin, uns Dinge einzureden, was manchmal gut sein kann, aber eben auch schlecht. Gerade Christen haben oft diese „Sei mit deinem Leben zufrieden“-Mentalität, denn „Gott weiß schon, was er tut“. Ich bin völlig davon überzeugt, dass Gott weiß, was er tut – aber ist er wirklich der Grund dafür, dass ich drei Abende zu Hause hocke und Däumchen drehe? Was ist der Sinn dabei?
Die klischee-christliche Antwort liegt auf der Hand: Ich kann die Zeit mit Jesus verbringen und werde nicht abgelenkt…
In solchen Antworten bin ich Meister. Ich kann alles christlich interpretieren.
„Deine Freunde antworten dir nicht sofort, damit du lernst, geduldig zu sein.“
„Du bist noch nicht bereit für einen Partner und musst eben auf Gottes Timing warten.“
„Deine Zukunft liegt in Gottes Hand, er weiß genau, was kommen wird und du kannst dich auf ihn verlassen.“
Und so schnell ist alles erklärt und man scheint äußerlich wieder zufrieden mit seinem Leben sein, obwohl man es innerlich nicht ist. Das alles, was man sich einredet, mag ja sogar stimmen, doch es zu verwenden, um Zufriedenheit vorzutäuschen ist definitiv die falsche Vorgehensweise. Gott hat alles in der Hand und es ist das Beste, auf ihn zu vertrauen. Gerade deswegen kann man aber auch zugeben, wenn etwas nervt oder man es sich anders gewünscht hätte.
Es ist okay, nicht okay zu sein. Es ist okay, wenn man mit Umständen nicht zufrieden ist, im Glauben zweifelt, oder mit manchen Leuten nicht klarkommt. Es ist okay, vor Menschen und vor Gott ehrlich zuzugeben, wenn etwas nicht stimmt. Man muss nicht jedem gleich alle Probleme erzählen, aber es sollte wenigstens jemanden geben, der weiß, wenn man nicht okay ist.
Christen sind so gut darin, den perfekten Anschein zu wahren und so anderen sogar ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn es bei ihnen nicht perfekt läuft. Viele leiden innerlich und lächeln äußerlich.
Was wäre, wenn wir endlich zugeben würden, dass eben nicht alles okay ist?
Wir könnten unsere Masken fallen lassen. Wir könnten ehrlicher sein. Wir würden feststellen, dass wir gar nicht so verschieden sind. Wir könnten uns gegenseitig unterstützen. Wir würden anfangen, unsere Leben miteinander zu teilen, statt zu vergleichen, bei wem es gerade am besten läuft. Und vielleicht würde das nicht nur unser miteinander verändern, sondern auch unseren Glauben und unsere Leben.
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