Was ist der Unterschied zwischen Religion und Glaube? Religion sind Regeln, die eingehalten werden müssen, Glaube bedeutet eine Beziehung zu dem lebendigen Gott (dem Gott der Bibel – ich schreibe im Folgenden „Gott“, damit ist Jesus gemeint)
Regeln sind relativ leicht einzuhalten, wie eine Checkliste, die man nach und nach abarbeitet. Eine Beziehung hat kein Schema, keine Gesetzmäßigkeit, keinen Standard. Beziehungen sind immer individuell, immer anders und verändern sich ständig.
Gott will also eine Beziehung zu uns. Er will wissen, wie es uns geht, was wir denken und was wir fühlen.
Das Problem: Es gibt keine perfekte Beziehung – wir bekommen das einfach nicht hin. Keine Bekanntschaft, keine Freundschaft, keine Partnerschaft ist perfekt. Und auch keine Beziehung zu Gott ist perfekt, da wir Menschen mit Fehlern sind, die früher oder später versagen.
Doch was ist, wenn meine Beziehung zu Gott gerade nicht gut läuft??
Mir haben schon so oft Menschen gesagt, dass sie gerade mit Gott nichts anfangen können, sie sauer auf ihn sind oder sie ihn nicht spüren. Ihre Beziehung zu Gott ist also alles andere als optimal und sie wissen nicht, was sie tun sollen. Was sagt man diesen Freunden dann? Was tut man, wenn man selbst in einer Beziehungs-Krise mit Gott steckt?
1. Es ist okay
Zunächst einmal ist es wichtig, dass man nicht abdreht. Schnell macht man sich Vorwürfe und redet sich ein, dass man etwas falsch gemacht hat. Vielleicht hat man nicht genug geglaubt, genug gebetet, genug Bibel gelesen, genug mitgearbeitet – und jetzt kriselt es in der Beziehung zu Gott. Wer so denkt, hat den Sinn einer Beziehung nicht verstanden. Es ist gibt keinen Automatismus: mehr beten bedeutet nicht automatisch eine bessere Beziehung zu Gott und umgekehrt. Klar, ist es hilfreich, wichtig und gut, mit Gott zu reden, in seinem Wort zu lesen und eine Gemeinde zu besuchen. Doch es ist keine Garantie für ein intaktes Verhältnis zu ihm.
2. Es ist normal
Es gibt in jeder zwischenmenschlichen Beziehung Höhen und Tiefen, das ist zwischen uns und Gott nicht anders. Bei Freunden ist es doch auch so, dass man sich mal öfter und mal seltener mit ihnen trifft oder mit ihnen redet, ohne dass gleich etwas falsch gelaufen ist. Das ist ganz normal. So ist es bei uns und Gott auch: manchmal können wir es gar nicht erwarten, mit ihm zu reden, etwas von ihm zu hören und sind total begeistert vom Glauben. Ein anderes Mal wiederum wissen wir nicht, was wir ihm sagen sollen, haben keine Lust auf eine Predigt und können nicht viel mit ihm anfangen.
3. Es geht nicht nur dir so
Man könnte ja meinen, Beziehungsprobleme zwischen Gott und Menschen sind eine Seltenheit. Die Lobpreisband spielt bei Veranstaltungen Lieder und jeder singt aus vollem Halse mit. Der Prediger hat immer irgendetwas zu sagen. Die Mitarbeiter leiten wöchentlich ihre Gruppen und halten Andachten und Bibelarbeiten. Warum habe denn dann nur ich Probleme mit Gott? Bin ich die einzige Zweiflerin??
Nein, überhaupt nicht! Wie schon gesagt, es ist normal, dass man nicht ständig begeistert ist von Gott und auch einfach mal die Luft raus ist. Das geht jedem Pfarrer, jedem Prediger, jedem Lobpreis-Band-Mitglied und jedem Mitarbeiter mal so – wenn auch vielleicht in unterschiedlichem Maße und von unterschiedlicher Dauer. Es ging auch den Leuten in der Bibel nicht anders: Psalmen über das Fernbleiben Gottes, Geschichten über die Flucht vor Gott und Menschen die sich fragten, ob Gott sie im Stich gelassen hat.
Der Grund, warum sich jeder in dieser Situation so alleine fühlt, ist, weil man nicht darüber redet. Man bekommt es oft nicht mit, wenn es anderen in ihrem Glauben nicht gut geht. Keiner gibt gerne zu, dass Gott so weit weg scheint, wenn man als Mitarbeiter Verantwortung für Menschen hat, denen man diesen Gott eigentlich näher bringen soll.
4. Es ist nicht unbedingt schlecht
Wenn man in einer Liebes-Beziehung Probleme hat, denkt man manchmal darüber nach, ob er oder sie der/die Richtige ist. Man überlegt vielleicht, was die Beziehung bringt und ob sie gut für einen selbst ist. In einer ernsthaften Beziehung trennt man sich nicht gleich vom Partner, wenn nicht alles rosig läuft.
Man muss auch nicht gleich mit Gott „Schluss machen“, wenn das Verhältnis zu ihm nicht mehr perfekt ist. Man fängt das Nachdenken an hinterfragt die Gründe der Beziehung grundsätzlich (Warum glaube ich an Gott?) und was im Glauben gut und schlecht gelaufen ist. Vielleicht stellt man fest, wo der Glaube zur Routine geworden ist, sich Dinge eingeschlichen haben, die nicht gut für die Beziehung sind und dass manches aus der falschen Motivation heraus geschehen ist. Es kann aber auch passieren, dass man von Gott verwirrt ist, auf ihn sauer ist oder sich ignoriert fühlt.
Beim Nachdenken wird man sich selbst klar, was man will und ordnet seine Gedanken neu. Es zeigt, dass man nicht einfach alles hin nimmt. Auch das Verhältnis zu Gott sollte nicht einfach hingenommen werden, sondern eine bewusste Entscheidung sein, die man immer und immer wieder neu für sich selbst treffen muss. Man muss sich entscheiden, ob man die Beziehung zu Gott will oder nicht – jeden Tag neu.
5. Es muss nicht so bleiben
Nur, weil man einen Tiefpunkt im Glauben hat (aus welchen Gründen auch immer), heißt es nicht, dass es ständig so weiter geht. Der Glaube kann wieder stärker werden, die Zweifel verschwinden. Das Verhältnis zu Gott kann wieder spannender werden, man kann ihn wieder spüren und wieder begeistert sein.
Zu einer Beziehung gehören immer zwei und es bedeutet, aktiv zu sein. Manch einer muss vielleicht Schuld bekennen, ein anderer Disziplin üben, der nächste mehr Bibel lesen oder beten… Je nachdem was man beim Nachdenken festgestellt hat, ist es dann dran, den nächsten Schritt zu tun und versuchen, die Beziehung zu verbessern. Wenn man selbst keinen Rat mehr weiß, dann kann man andere fragen. Kann man selbst nicht beten, können andere das für einen tun. Dafür ist Gemeinschaft da – um sich gegenseitig zu unterstützen. Keiner muss seinen Glauben alleine bestreiten und die Beziehung zu Gott reparieren. Menschen können zur Seite stehen und Gott selbst ist der erste, der an unserer Beziehung zu ihm arbeiten will.
6. Es ist am wichtigsten…
In letzter Zeit habe ich von vielen Freunden mitbekommen, wie sie, aus den verschiedensten Gründen, Probleme im Glauben haben. Wenn ich so etwas mitbekomme, versuche ich immer sie zu ermutigen und für sie zu beten. Ich kann ihre Schwierigkeiten nachvollziehen, mir geht es oft nicht anders: meine Beziehung zu Gott erlebt auch oft Höhen und Tiefen (und ganz viel Mittelmaß).
In einem Gespräch sagte mir ein Freund diesen genialen Satz, der mir hängen geblieben ist:
„Meine Beziehung zu Gott ist nicht perfekt oder harmonisch – aber es ist eine Beziehung!“
Trotz einer nicht-perfekten Beziehung zu Gott ließ sich diese Person nicht davon abhalten, Veranstaltungen zu besuchen, als Mitarbeiter tätig zu sein, Aufgaben zu übernehmen und Menschen von Gott zu erzählen. Die Begründung ist so einfach wie genial: Auch eine spannungsgeladene Beziehung zu Gott ist eine Beziehung zu ihm (auch wenn es nicht der Optimalfall ist). Vor Jahren hat er die Entscheidung getroffen, mit Gott zu leben und auch wenn es Schwierigkeiten gibt, hält er diese Entscheidung weiterhin für gut und richtig. Deswegen kann er weitermachen und anderen bezeugen, dass sich das Leben mit Gott lohnt, auch wenn es nicht immer einfach ist.
Es muss nicht jeder wissen, wenn man Probleme im Glauben hat. Man muss nicht sofort alles hinschmeißen. Manchmal braucht man vielleicht eine Auszeit, manchmal muss man sich durchbeißen und nicht aufgeben. Man darf zweifeln, fragen und auch mal wütend sein. Am wichtigsten ist, dass man die Beziehung zu Gott nicht aufgibt, sondern mit ihm zusammen daran arbeitet und zu seinem Glauben steht.
Wenn man eine Beziehung zu Gott hat, mag diese nicht perfekt oder harmonisch sein – aber es ist eine Beziehung. Und ich kenne keine Beziehung für die es sich mehr kämpfen lohnt, als für die zu dem besten Freund, der einen nie verlässt, mit offenen Armen wartet und gestorben ist, um diese Beziehung überhaupt möglich zu machen.
Bildquellen:
1. Freedigitalphotos.net by Master isolated images
2. TheArches via photopin cc
3. Flickr by Josep Ma. Rosell (http://www.flickr.com/photos/batega/1865482908/in/photostream/)